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Mittwoch, 28. September 2016

Apulien und das tote Kulturgut




Wer im Sommer im Absatz des Italienischen Stiefels, in Apulien, den Urlaub verbrachte, dem bot sich ein grauenhaftes Bild: Wo noch vor 4 Jahren tiefgrüne Olivenwälder der Landschaft den farblichen Stempel aufdrückten, ragen nun graue, knorrige Äste aus dem Boden. Was ist passiert?


Bild: Immobilien Apulien

Die Olivenbäume sterben ab, allesamt, ohne Ausnahme. Vom Meer aufwärts treibt der Wind eine unsichtbare Wolke der Verwüstung landaufwärts. Einen Einheimischen aus Matino, in der Nähe von Gallipoli, darauf angesprochen, zogen sich die Gewitterwolken über seinem Gesicht zusammen und er fing an auszuholen. Es habe alles vor drei Jahren begonnen. Die Olivenbäume fingen an auszutrocknen, Baum für Baum, Grundstück für Grundstück. Schliesslich sei man dem Übel auf die Schliche gekommen: Ein Bakterium, dass sich in den Wasserbahnen der Pflanzen festsetzt, diese verstopft und den Baum innert Monaten oder Jahren zum austrockenen bringt, sei identifiziert worden. Dieses Bakterium sei beim Bau einer Hotelanlage in der Nähe von Gallipoli, auf importierten Pflanzen aus Südamerika ins Land gelangt. 



Foto: srf


Gegen dieses Bakterium, Xylella fastidiosa laut NZZ, werden nun dringlichst Bekämpfungsmethoden gesucht, doch bisher ohne Erfolg. Was der Einheimische dazu wusste war, dass es anscheinend eine Baumsorte gibt, die sich als resistenter gezeigt hat, als andere. Und so gelangt das Bakterium von Jahr zu Jahr weiter Richtung Norden. Was sich von der Autostrada aus beobachten lässt, sind ab und zu Schneisen in den Olivenwäldern - ein leider nutzloser Versuch, das Bakterium auf Distanz zu halten. 


Ausgerechnet Olivenbäume, die erst mehrere Jahre wachsen müssen bis sie das erste Mal Früchte tragen. Ausgerechnet in Apulien, wo jede Familie mehrere Bäume besitzt und das nicht in erster Linie des Erlöses aus dem Öl wegen, sondern weil Olivenbäume Teil der Apulischen Kultur sind, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Olivenbäume sind zum Teil über hundert Jahre alt. Olivenöl gehört neben Mehl und Tomaten seit Jahrhunderten zu den Grundnahrungsmitteln einer jeder Familie, die sich immer auf Vorrat im Keller befinden. 


Und wie das so ist, kommen nun Schauermärchen und Verschwörungstheorien auf, wie die einheimische Quelle noch anzufügen weiss. Die Ausgangslage dieser Geschichte bildet die seit mehreren Jahren stark wachsende Tourismusbranche rund um Gallipoli. Die statt möchte das am Mittelmeer werden, was Rimini an der Adria ist, ein Magnet für Partyvolk aus dem In- und Ausland. Und das Land an der ganzen Küste um die Stadt bilden die Olivenhaine. Viele kleine Olivenhaine, die vielen verschiedenen Familien gehören. Für zukünftige Grossgrundbesitzereine schlechte Ausgangslage. Doch nun wollen alle ihr Land verkaufen, solange sie noch etwas dafür kriegen. Die Spekulation geht also soweit, dass ein Klubbesitzer aus Gallipoli, der expandieren will, das Bakterium absichtlich ins Land gebracht habe. Soweit die Geschichten. Was jedoch sicher stimmt ist, dass das Kulturgut dieser Pflanzen, die seit Jahrhunderten in Apulien als Symbol für Leben und Fruchtbarkeit gelten, zerstört wurde und so schnell nicht wieder hergestellt werden kann.